NEUES AKTIENRECHT: Handlungsbedarf für Verwaltungsräte und relevante Aspekte für KMU

Eines der umfangreichsten Gesetzgebungsprojekte der letzten Jahre ging mit Inkrafttreten vom 1. Januar 2023 nach rund 30 Jahren zu Ende. Das neue Aktienrecht bringt dabei sowohl neue Pflichten, als auch neue Flexibilität und eine Anpassung an das digitale Zeitalter mit sich. Damit der notwendige Handlungsbedarf eingeschätzt werden kann, gehen wir auf die Rolle der Verwaltungsräte und die relevanten Aspekte für KMU ein.

Neue Anforderungen im Bereich Liquidität und Überschuldung

Drohende Zahlungsunfähigkeit: Eine der zentralsten Änderungen betrifft die Anforderungen im Bereich der Liquidität und Überschuldung. Deren Verantwortung obliegt dem Verwaltungsrat und wurde verschärft. Neu verpflichtet bereits das Erkennen der Gefahr der Zahlungsunfähigkeit den Verwaltungsrat zum Handeln. Besteht eine begründete Besorgnis einer drohenden Zahlungsunfähigkeit, muss der Verwaltungsrat Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit ergreifen.

Die Benachrichtigung des Gerichts kann dabei neu unterlassen werden, solange innert angemessener Frist (spätestens innert 90 Tagen nach Vorliegen eines geprüften Zwischenabschlusses) begründete Aussicht auf Sanierung besteht.

Unternehmen ohne Revisionsstelle: Eine wichtige Änderung trat auch für Unternehmen ohne Revisionsstelle (sog. Opting-out) ein: Liegt ein hälftiger Kapitalverlust nach Art. 725a Abs. 2 OR vor, entsteht eine Revisionspflicht. So muss die letzte Jahresrechnung – noch vor der Genehmigung durch die Generalversammlung – durch eine zugelassene Revisorin geprüft werden. Die Verantwortung für die Ernennung des Revisors obliegt wiederum dem Verwaltungsrat.

Rangrücktritt: Zudem gab es eine Verschärfung beim Rangrücktritt. Neu ist dieser nur noch gültig, wenn nebst dem Darlehen auch die Zinsforderungen dazu zählen und diese während der Dauer der Überschuldung gestundet werden. Wir empfehlen daher, eine Überprüfung und allfällige Anpassung des entsprechenden Absatzes in der Rangrücktrittsvereinbarung.

Neuerungen im Bereich Aktienkapital

Ausländische Währung: Neu darf die Ausgabe des Aktienkapitals in der für die Geschäftstätigkeit wesentlichen ausländischen Währung erfolgen. Zudem dürfen bestehende Aktiengesellschaften die Währung, auf welche das Aktienkapital lautet, ebenfalls wechseln. Dies ist derzeit für folgende ausländische Währungen zulässig: Britisches Pfund (GBP), Euro (EUR), US-Dollar (USD) sowie Yen (JPY).

Mindestnennwert: Ferner muss der Mindestnennwert für eine Aktie neu lediglich grösser als Null sein (bisher Nennwert von 1 Rappen).

Zwischendividende: Mit dem neuen Aktienrecht besteht zudem die Möglichkeit, eine Zwischendividende zur Ausschüttung von Gewinnen aus dem laufenden Geschäftsjahr durch die Generalversammlung zu beschliessen. Voraussetzung ist grundsätzlich ein Zwischenabschluss, der durch die Revisionsstelle zu prüfen ist.

Kapitalband: Bis anhin gab es die Möglichkeit, eine ordentliche, bedingte oder genehmigte Kapitalerhöhung sowie eine ordentliche Kapitalherabsetzung durchzuführen. Mit dem neuen Aktienrecht wurde die genehmigte Kapitalerhöhung durch das Kapitalband ersetzt. Mit diesem neuen Instrument wird der Verwaltungsrat in den Statuten ermächtigt, während einer Dauer von längstens fünf Jahren das Aktienkapital innerhalb einer vorbestimmten Bandbreite (jeweils 50% des eingetragenen Aktienkapitals) zu erhöhen oder herabzusetzen. Für die Einführung eines Kapitalbandes ist ein GV-Beschluss sowie eine statutarische Ermächtigung notwendig.

Neuerungen im Bereich Generalversammlung

Mit dem neuen Aktienrecht sind neue Formen der Generalversammlung möglich geworden:

  • Virtuelle Generalversammlung (z.B. Videokonferenzen)
  • Multilokale Generalversammlung (z.B. verschiedene Tagungsorte)
  • Direct voting
  • Generalversammlung im Ausland
  • Generalversammlung mit schriftlicher Stimmabgabe (Urabstimmung oder Zirkularbeschluss)

Hierbei besteht die Voraussetzung, dass die Ausübung der Aktionärsrechte gewahrt und nicht in unsachlicher Weise erschwert werden. Darunter fällt beispielsweise die Stimmabgabe oder die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Die Beschlüsse können neu sowohl auf schriftlichem oder elektronischem Weg gefasst werden. Damit (virtuelle) Generalversammlungen im Ausland durchgeführt werden können, ist zudem eine Statutenanpassung notwendig.

Neuerungen im Bereich Kontroll- und Mitwirkungsrechte der Aktionäre

Auskunftsrecht: Bis anhin war das Auskunftsrecht von Aktionären auf die Generalversammlung beschränkt. Neu können Aktionäre von KMU, welche über mindestens 10% des Aktienkapitals oder der Stimmrechte verfügen, auch ausserhalb einer Generalversammlung von ihrem Auskunftsrecht Gebrauch machen.

Einsichtsrecht: Das Einsichtsrecht in die Geschäftsbücher und Korrespondenz (soweit es für die Aktionärsrechte erforderlich ist) steht Aktionären mit mindestens 5% des Aktienkapitals oder Stimmrecht zu. Gleichgeblieben ist, dass schutzwürdige Interessen der Gesellschaft davon ausgenommen sind. Wird eine Auskunft jedoch verweigert, muss dies neu vom Verwaltungsrat schriftlich begründet werden.

Traktandierungs- und Antragsrecht: Hierzu wurde für Aktionäre der Schwellenwert von 10% auf 5% Anteil am Aktienkapital herabgesetzt.

Fazit

Mit dem neuen Aktienrecht steigen auch die Anforderungen an Verwaltungsräte. Umso wichtiger ist es, die aktuellen Statuten auf die spezifische Situation hin genau zu prüfen und allfällige notwendige Anpassungen baldmöglichst vorzunehmen – allenfalls im Sinne einer Generalüberholung. Die Statuten sind dabei bis spätestens am 1. Januar 2025 anzupassen.

Gerne unterstützen wir Sie hierbei und stehen Ihnen für weitergehende Fragen zur Verfügung.

Yvonne Zihlmann
BDO AG
Wirtschaftsprüfung
041 757 50 09
Yvonne.zihlmann@bdo.ch

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