Weiterer Kompromissvorschlag im Mieterstreit
Im Zusammenhang mit den Massnahmen des Bundesrates zur Bekämpfung des Coronavirus kam es zu zahlreichen verordneten Geschäftsschliessungen, welche die Betroffenen schwer getroffen haben. Als einer der treibenden Kostenfaktoren gilt dabei die Miete der Geschäftsräumlichkeiten.
Da die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten fortan nicht mehr für den dafür bestimmten Zweck genutzt werden konnten, kam die Frage auf, ob die verordnete Geschäftsschliessung einen Mangel des Miet- oder Pachtobjekt darstellt und damit ein Anspruch auf Herabsetzung des Mietzinses besteht. Diese Frage ist juristisch nach wie vor sehr umstritten und wird dereinst höchstrichterlich geklärt werden müssen.
Abgesehen von der juristischen Qualifikation der verordneten Geschäftsschliessungen drängt sich auch aus wirtschafts- und sozialpolitischen Überlegungen eine zeitnahe
Lösung auf. Öffentliche Eingriffe in private Rechtsverhältnisse sind allerdings verfassungsrechtlich heikel, weshalb sich der Bundesrat seinerzeit gegen einen Eingriff mit notrechtlichen Massnahmen entschieden hatte. Vielmehr rief er die involvierten Parteien dazu auf, gemeinsam eine für beide Seiten tragbare Lösung zu finden, um so den sehr vielfältigen Mietverhältnissen im Geschäftsbereich gerecht zu werden.
Dieser Ansatz befand das Parlament als nicht zielführend genug, es bevorzugt eine bundesweite Lösung. Obschon sich National- und Ständerat in der vergangen Sondersession einig waren, dass es für die vom Lockdown betroffenen Betriebe Erleichterungen in der Form von Mietzinsreduktionen oder -erlassen braucht, konnten sich die beiden Kammern nicht auf einen konkreten Vorschlag einigen.
Trotz erfolgloser Verhandlungen auf politischer Ebene kam es seitens grosser institutioneller Vermieter zu ersten unilateralen Massnahmen. Swiss Prime Site, die grösste kotierte Schweizer Immobiliengesellschaft, hat bekanntgegeben, dass sie Kleinunternehmen und Selbständigerwerbenden, deren monatliche Bruttomiete den Betrag von 5000 Franken nicht übersteigt und die ihren Betrieb aufgrund der Corona-Krise schliessen mussten, die Nettomiete für die Dauer von zwei Monaten erlässt. Einzig die Nebenkosten bleiben weiterhin geschuldet. Auch Migros hat mittlerweile einen entsprechenden Mieterlass ausgearbeitet.
Um in der kommenden Sommersession einen weiteren Leerlauf zu verhindern, hat die
nationalrätliche Wirtschaftskommission um Flavio Regazzi eine neuerliche Kompromiss-variante ausgearbeitet. Die wegen der Corona-Krise zwangsgeschlossenen Geschäfte sollen für 40 Prozent der Mieten aufkommen, 60 Prozent gehen zulasten des Vermieters – und zwar für die ganze Zeit, in der sie schliessen mussten. Auch Betriebe, die ihre Aktivitäten reduzieren mussten, sollen in begrenztem Umfang von einer Ermässigung profitieren können. Diese einheitliche Lösung gilt für alle Betriebe bis zu einer monatlichen Miete von 20’000 Franken. Bei einem Mietzins zwischen 15’000 und 20’000 Franken soll allerdings für beide Parteien ein Opt-out möglich sein. Falls dann keine einvernehmliche Lösung gefunden wird, bleibt nur noch der Gang vor den Richter. Bereits getroffene Absprachen zwischen Mietern und Vermietern bleiben hierbei gültig.
Nun bleibt vorerst abzuwarten, ob der Vorschlag der nationalrätlichen Wirtschaftskommission auch im Ständerat mehrheitsfähig sein wird.