Die Modernisierung des Schweizer Erbrechts

I. Ausgangslage
Das Schweizer Erbrecht wird in seiner heutigen Form der gesellschaftlichen Realität nicht mehr gerecht. Die vielfältigen Lebensformen werden nicht wiederspiegelt, weshalb neue Flexibilität geschaffen und Erleichterungen insbesondere in Bezug auf die Unternehmensnachfolge vorgesehen werden.

Die Revision zum Erbrecht (Familienrecht) wurde im Frühling 2016 in die Vernehmlassung geschickt. Diese Neuerungen wurden sodann im Frühling 2019 um zusätzliche Massnahmen zur Erleichterung der erbrechtlichen Unternehmensnachfolge ergänzt, deren Vernehmlassungsergebnisse im Februar dieses Jahres publiziert wurden. Aktuell warten wir gespannt auf die ausstehende Botschaft des Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), welche im Frühjahr 2021 erwartet wird.

II. Was ändert?
Die eingangs erwähnte Flexibilität äussert sich insbesondere darin, dass der Erblasser künftig über einen grösseren Teil seines Vermögens frei verfügen kann. Um das zu erreichen, werden die Pflichtteile der Nachkommen verringert. So kann ein Erblasser beispielsweise auch den Lebenspartner oder seine Stiefkinder stärker begünstigen.

Eine massgebliche Vereinfachung ist bei der familieninternen Unternehmensnachfolge angedacht. Da in der Schweiz rund 99% aller Unternehmen als KMU qualifizieren und davon wiederum 80% Familienbetriebe mit weniger als zehn Angestellten sind, hat dieses Thema immense Wichtigkeit. Gerade in diesen Fällen stellt die Finanzierung der Unternehmensnachfolge für die Erben eine besondere Herausforderung dar.

In der Vorlage des Bundesrates ist daher vorgesehen, dass Gerichte ein Unternehmen als Ganzes einem einzigen Erben zuweisen können, wenn die Erblasserin oder der Erblasser keine diesbezüglichen Vorkehrungen getroffen hat. Damit soll die Zerstückelung oder Schliessung von Unternehmen verhindert und Arbeitsplätze gesichert werden. Weiter soll die Unternehmensnachfolgerin oder der Unternehmensnachfolger von den zu entschädigenden Miterbinnen und Miterben einen Zahlungsaufschub erhalten können, um ebenfalls Liquiditätsprobleme vorzubeugen.

Diese beiden Möglichkeiten wurden in der Vernehmlassung sehr begrüsst. Dasselbe gilt für das Recht der Miterbinnen und Miterben, die Übernahme von Minderheitsanteilen an einem Unternehmen in der Erbmasse unter Anrechnung an ihren Pflichtteil abzulehnen. Unstimmigkeit bei den Vernehmlassungsteilnehmern herrscht dahingegen darüber, wie der Unternehmenswert einer solchen Anrechnung alsdann zu berechnen ist. Ebenfalls fraglich ist, ob die Unternehmensnachfolgerin oder der Unternehmensnachfolger den Miterbinnen und Miterben bei einem Zahlungsaufschub Sicherheiten leisten muss. In der Vernehmlassung ebenfalls negativ hervorgehoben wurde, dass die steuerlichen Aspekte, welche bei der Unternehmensnachfolge stets von grosser Bedeutung sind, nicht angesprochen wurden. Die Zuständigkeit liegt dabei weiterhin bei den Kantonen. Der Bundesrat wird die Anmerkungen der Vernehmlassungsteilnehmer im Hinblick auf die Botschaft analysieren und wo möglich und sinnvoll berücksichtigen.

Die Vereinfachung der Unternehmensnachfolge soll ebenfalls durch die Revision der Pflichtteile begünstigt werden, da dadurch die Verfügungsfreiheit des Erblassers über sein Vermögen und damit auch über sein Unternehmen erhöht wird.

III. Fazit
In Bezug auf das revidierte Erbrecht sind noch nicht alle juristischen Feinheiten geklärt. Allerdings wird eindeutig mehr Flexibilität für den Erblasser geschaffen, welcher über einen grösseren Anteil seines Vermögens verfügen und nach seinen Wünschen die «richtigen» Personen begünstigen kann. Damit einhergehend haben sich die Erleichterungen in Bezug auf die Unternehmensnachfolge bis anhin im Gesetzgebungsprozess gut gehalten. So wurde der Entwurf über diesbezüglichen Änderungen im Rahmen der Vernehmlassung grösstenteils positiv aufgenommen. Diese Neuerungen haben zum Ziel die Schweizer KMU-Landschaft nachhaltig zu stabilisieren und die familieninterne Unternehmensübergabe zu erleichtern.